Erbrecht Türkei Ausländer – Ausländische Investoren und Erben stehen beim Nachlass in der Türkei vor besonderen Herausforderungen. Grundsätzlich können jedoch auch Ausländer in der Türkei ganz normal erben. Wichtig ist zu wissen, welche Gesetze gelten, welche Behörden zuständig sind und wie man Schritt für Schritt vorgeht, um den Nachlass rechtssicher abzuwickeln. Dieser Leitfaden gibt einen umfassenden Überblick zum türkischen Erbrecht für Ausländer – von den Rechtsgrundlagen (etwa Artikel 571 ff. Türkisches Zivilgesetzbuch) bis hin zu Steuern, Fristen und Tipps bei Streitfällen. Damit sind Sie bestens vorbereitet, um Ihren Erbfall in der Türkei erfolgreich zu meistern.
Rechtsgrundlagen & Zuständigkeit
Das türkische Erbrecht ist im Zivilgesetzbuch (Türk Medeni Kanunu, Gesetz Nr. 4721) geregelt. Die gesetzlichen Erbfolgeregeln und Pflichtteilsansprüche sind dort detailliert festgelegt – unter anderem in Artikel 571 ff., der die Herabsetzungsklage zum Schutz der Pflichtteilsberechtigten beschreibt. Grundsätzlich gilt bei internationalem Bezug das türkische Kollisionsrecht: Liegt eine Immobilie in der Türkei, so ist zwingend türkisches Erbrecht anwendbar ("lex rei sitae. Handelt es sich dagegen um bewegliches Vermögen (z.B. Bankguthaben) eines Ausländers, kommt das Heimatrecht des Erblassers zum Zuge. Die Staatsangehörigkeit des Erben spielt hingegen keine Rolle für die Erbfolge – Ausländer und Türken sind erbrechtlich gleichgestellt.
Zuständig für Nachlassangelegenheiten in der Türkei sind in der Regel die Zivilgerichte am letzten Wohnort des Erblassers bzw. bei Immobilien der Gerichtsbezirk, in dem das Grundstück liegt. Ausländische Erben müssen einen Erbschein ("Mirasçılık Belgesi") beim zuständigen türkischen Gericht beantragen, da notarielle Erbscheine nur rein türkischen Erbfällen vorbehalten sind. Ein bereits in Deutschland ausgestellter Erbschein genügt nicht, um z.B. eine Immobilie in der Türkei umzuschreiben – hier ist ein türkischer Erbschein erforderlich. Wichtige Urkunden (Testament, Sterbeurkunde, Personenstandsnachweise) müssen mit Übersetzung und Apostille versehen werden, damit sie in der Türkei anerkannt werden. Zu beachten ist, dass es keine Verjährungsfrist für Erbansprüche an sich gibt und ein Erbschein jederzeit beantragt werden kann. Allerdings sollten steuerliche Meldefristen eingehalten werden, wie im nächsten Abschnitt erläutert.
Schritt-für-Schritt-Leitfaden zur Nachlassabwicklung
Steuerliche Aspekte & Fristen
In der Türkei fällt auf vererbtes Vermögen grundsätzlich eine Erbschafts- und Schenkungssteuer an. Besteuert wird dabei das in der Türkei belegene Vermögen; ausländisches Vermögen eines nicht-türkischen Erblassers bleibt außen vor. Die Steuerhöhe ist progressiv gestaltet und reicht von 1% (bei kleinen Erbschaften) bis maximal 10%. Nahe Verwandte genießen erhebliche Freibeträge: Ehepartner und Kinder jeweils einige hunderttausend TL (jedes Jahr angepasst; z.B. ca. 306.000 TL pro Person im Jahr 2020). Andere Erben haben hingegen nur einen minimalen Freibetrag oder keinen. Liegt der Anteil eines Erben unter dem Freibetrag, stellt das Finanzamt eine Freistellungsbescheinigung aus, ohne dass Steuern zu zahlen sind.
Fristen: Die Erbschaftssteuererklärung muss innerhalb bestimmter Fristen nach dem Todesfall abgegeben werden. Bei Sterbefällen in der Türkei sind es 4 Monate (Erben im Inland) bzw. 6 Monate (Erben im Ausland); bei Sterbefällen im Ausland 4 Monate (wenn Erben im selben Ausland wohnen), 6 Monate (Erben in der Türkei) oder max. 8 Monate (Erben in Drittstaaten. Eine moderate Verspätungsgebühr wird erhoben, wenn diese Fristen überschritten werden. Wichtig: Ohne Entrichtung der Erbschaftssteuer kann kein Grundbuchübergang auf die Erben erfolgen und Bankguthaben werden nicht freigegeben. Neben den Steuerfristen ist auch die Ausschlagungsfrist von 3 Monaten zu beachten, falls ein Erbe sein Erbteil nicht antreten möchte.
Da zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Österreich bzw. der Schweiz und der Türkei kein Doppelbesteuerungsabkommen für Erbschaften besteht, kann eine Erbschaft doppelt besteuert werden (z.B. in Deutschland und in der Türkei). Allerdings wird die in der Türkei entrichtete Erbschaftsteuer in Deutschland meist auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet. Zu beachten ist außerdem, dass ein in der Türkei steuerlich ansässiger Erbe möglicherweise auch für Auslandsvermögen eines türkischen Erblassers Steuer entrichten muss. Im Regelfall sind ausländische Erben aber nur für das Vermögen in der Türkei steuerpflichtig.
Streitfälle: Pflichtteil, Erbausschlagung, Immobilientransfer
Pflichtteil in der Türkei einklagen
Auch im türkischen Erbrecht gibt es die Idee des Pflichtteils. Pflichtteilsberechtigt sind der überlebende Ehegatte sowie die Abkömmlinge (Kinder, Enkel) und – falls keine Abkömmlinge vorhanden – auch die Eltern des Verstorbenen. Geschwister können ebenfalls einen reduzierten Pflichtteil geltend machen. Die Pflichtteilsquote beträgt für Kinder die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils, für Eltern 1/4 und für Geschwister 1/8f. Wurde ein Pflichtteilsberechtigter durch Testament übergangen oder weniger bedacht, kann er den Pflichtteil einklagen. Hierzu dient in der Türkei die Herabsetzungsklage (Tenkis davası), mit der das Testament insofern angefochten wird, bis die Pflichtteile gewahrt sind. Diese Klage muss innerhalb von 1 Jahr ab Kenntnis der Pflichtteilsverletzung, spätestens aber innerhalb von 10 Jahren nach Eröffnung des Testaments erhoben werden. Ist die Klage erfolgreich, erhalten die Pflichtteilsberechtigten ihren gesetzlichen Mindestanteil am Nachlass.
Ausschlagung der Erbschaft
Entscheiden sich Erben dazu, die Erbschaft auszuschlagen, gelten bestimmte Regeln. Die Ausschlagung muss, wie oben erwähnt, grundsätzlich innerhalb von 3 Monaten erklärt werden. Die Erklärung erfolgt persönlich oder durch bevollmächtigten Anwalt gegenüber dem Nachlassgericht. Wichtig: Wer die Erbschaft ausschlägt, verliert jegliche Ansprüche auf den Nachlass (auch das Pflichtteilsrecht) und wird behandelt, als hätte er nie existiert. Sein Anteil fällt den übrigen Erben zu bzw. geht auf nachrückende Ersatzerben über. Haben alle berufenen Erben ausgeschlagen, fällt der Nachlass an den Staat. Nach türkischem Recht ist die Erbschaft ein Ganzes – eine teilweise Annahme und teilweise Ausschlagung ist nicht möglich. Zudem sollte man bis zur Entscheidung über die Ausschlagung keine Verfügung über Nachlassgegenstände treffen, da dies als Annahme gewertet werden könnte.
Immobilien in der Erbschaft übertragen
Bei Immobilienerbschaften müssen die Erben die Umschreibung im Grundbuch veranlassen, wie oben beschrieben. Probleme können auftreten, wenn ausländische Erben nach türkischem Recht eigentlich keine Immobilien erwerben dürfen – etwa, weil die Immobilie in einem militärischen Sperrgebiet liegt oder der Erbe aus einem Staat stammt, für den beschränkte Erwerbsmöglichkeiten gelten. In solchen Fällen kann eine behördliche Sondergenehmigung erforderlich sein oder der Erbe muss die Immobilie innerhalb einer bestimmten Frist verkaufen. Auch bei mehreren Erben an einer Immobilie kommt es häufig zu Streit, etwa wenn ein Teil der Erbengemeinschaft das Objekt verkaufen will und ein anderer es behalten möchte. Lässt sich keine einvernehmliche Lösung finden, bleibt als letzter Ausweg die Teilungsversteigerung durch das Gericht. Um solche Konflikte zu vermeiden, sollte frühzeitig mit anwaltlicher Unterstützung eine Einigung zwischen den Erben gesucht werden.
FAQ
Wie läuft eine Erbschaft in der Türkei für Ausländer ab?
Antwort: Ausländer können in der Türkei grundsätzlich nach den gleichen Regeln erben wie Inländer. Nach einem Todesfall müssen die Erben die oben beschriebenen Schritte durchlaufen: Erbschein beantragen, Steuer erklären und Vermögenswerte übertragen. Wichtig ist, dass alle ausländischen Urkunden (z.B. Sterbeurkunde, ggf. Testament) mit Apostille und Übersetzung versehen werden. Am besten lässt man sich von einem Anwalt durch den Prozess führen, um sprachliche und rechtliche Hürden zu meistern. Der gesamte Vorgang kann einige Monate in Anspruch nehmen.
Welche Steuern fallen bei einer Erbschaft in der Türkei an?
Antwort: In der Türkei wird ein Nachlass mit der Erbschaftssteuer belastet. Die Steuer fällt auf das in der Türkei befindliche Vermögen an und ist gestaffelt: je höher der Wert, desto höher der Steuersatz (maximal 10%). Ehegatten und Kinder haben hohe Freibeträge, sodass bei normalen Vermögen oft wenig oder gar keine Steuer gezahlt werden muss. Erben müssen binnen 4-6 Monaten eine Steuererklärung beim Finanzamt einreichen und die festgesetzte Steuer bezahlen, bevor sie z.B. eine Immobilie verkaufen oder Geld vom Bankkonto abheben dürfen.
Ist ein in Deutschland verfasstes Testament in der Türkei gültig?
Antwort: Ja, ein in Deutschland formwirksam erstelltes Testament wird in der Regel auch in der Türkei anerkannt. Es muss jedoch für das Verfahren übersetzt und mit einer Apostille versehen sein. Inhaltlich kann es Einschränkungen geben: Das deutsche Testament darf nicht gegen zwingende Regeln des türkischen Erbrechts verstoßen, insbesondere was Pflichtteilsrechte betrifft. Bei Immobilien in der Türkei gilt stets das türkische Sachenrecht – ein Testament kann also den Eigentumsübergang nicht umgehen. Daher sollte ein im Ausland verfasstes Testament idealerweise mit Blick auf die türkischen Vorschriften gestaltet werden. Eine Beratung durch einen Anwalt, der mit beiden Rechtsordnungen vertraut ist, ist empfehlenswert.
Wie beantrage ich einen Erbschein in der Türkei?
Antwort: Der Erbschein (Mirasçılık Belgesi) wird in Fällen mit Auslandsbezug vom zuständigen türkischen Nachlassgericht ausgestellt. Sie beantragen ihn, indem Sie – am besten mit Hilfe eines Rechtsanwalts – einen Antrag beim Gericht stellen und die nötigen Unterlagen einreichen (Sterbeurkunde mit Apostille, Ausweise der Erben, eventuelles Testament im Original). Das Gericht prüft die Erbberechtigung und erlässt dann den Erbschein, der alle Erben und ihre Erbquoten ausweist. Dies ist die Grundlage, um anschließend Grundbücher zu berichtigen oder Bankguthaben freizubekommen. Ein deutscher Erbschein allein reicht in der Türkei nicht aus.
Kann ich den Pflichtteil in der Türkei einklagen?
Antwort: Ja, wenn Sie als Kind, Ehepartner oder Elternteil im Testament enterbt wurden oder weniger erhalten sollen, können Sie Ihren Pflichtteil auch in der Türkei einfordern. Hierzu müssen Sie binnen der gesetzlichen Frist Klage auf Herabsetzung (Pflichtteilsklage) erheben. Das Gericht prüft dann das Testament und passt die Verteilung des Nachlasses zugunsten der Pflichtteilsberechtigten an, soweit erforderlich. Beachten Sie, dass es im Gegensatz zu Deutschland kein sofort fälliger Zahlungsanspruch ist, sondern gerichtlich durchgesetzt werden muss. Es empfiehlt sich, einen im türkischen Erbrecht versierten Anwalt mit der Durchsetzung Ihres Pflichtteils zu beauftragen.
Kostenlose Erstberatung (Call-to-Action)
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