Verkehrsunfälle & Schadenersatz in der Türkei

Verkehrsunfälle & Schadenersatz in der Türkei

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Verkehrsunfälle & Schadenersatz in der Türkei

Wie bekommt man nach einem Verkehrsunfall in der Türkei Schmerzensgeld? Als deutschsprachiger Fahrer haben Sie auch in der Türkei Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld nach lokalem Recht. Entscheidend ist, dass Sie den Unfall korrekt dokumentieren und Ihre Ansprüche fristgerecht geltend machen. Im Folgenden erfahren Sie, welche Rechte Ihnen zustehen und was nach einem Verkehrsunfall in der Türkei zu tun ist.

Rechtliche Grundlagen

In der Türkei gilt für Unfälle das türkische Verkehrsrecht. Jeder Halter ist verpflichtet, vor Inbetriebnahme eines Fahrzeugs eine Kfz-Haftpflichtversicherung (Pflichtversicherung ZMSS) abzuschließen (Art. 91 türk. Straßenverkehrsgesetz). Diese obligatorische Versicherung deckt Personenschäden und Sachschäden bis zu bestimmten Mindestbeträgen: z.B. 250.000 TRY (~54.000 €) pro Personenschaden und 25.000 TRY (~5.400 €) pro Fahrzeug​- . Kommt es zu einem Autounfall in der Türkei, haftet der Unfallverursacher nach dem türkischen Obligationenrecht (Schuldrecht) für die entstandenen Schäden. Auch immaterieller Schadenersatz (Schmerzensgeld) ist im türkischen Recht grundsätzlich vorgesehen, wird aber oft nur in geringer Höhe zugesprochen. Sachschäden werden durch die Reparaturkosten bzw. im Totalschaden-Fall durch den Zeitwert des Fahrzeugs (abzüglich Restwert) ersetzt.

International gilt in der Türkei das Grüne Karte-System. Das bedeutet, dass Ihre deutsche Kfz-Versicherung auch Schäden im Ausland abdeckt, sofern die Türkei auf der Grünen Versicherungskarte nicht ausgeschlossen ist. Vor der Reise sollten Sie die Grüne Karte mitnehmen und bei Ihrer Versicherung bestätigen lassen, dass ausreichend Deckung auch im asiatischen Landesteil besteht. Falls nicht, müssen Sie an der Grenze eine separate Grenzversicherung abschließen.

Ablauf nach dem Unfall – Schritt-für-Schritt-Checkliste

Ein Verkehrsunfall ist eine Stresssituation – umso wichtiger ist es, ruhig zu bleiben und strukturiert vorzugehen. Diese Schritt-für-Schritt-Checkliste hilft deutschen Fahrern in der Türkei:

  1. Unfallstelle sichern: Schalten Sie die Warnblinkanlage ein und stellen Sie ein Warndreieck auf, um Folgeunfälle zu verhindern. Bei Dunkelheit tragen Sie eine Warnweste.
  2. Erste Hilfe leisten: Prüfen Sie, ob jemand verletzt ist. Leisten Sie Erste Hilfe und rufen Sie bei Personenschäden umgehend den Notruf (Tel. 112) für Rettungsdienst und Polizei.
  3. Polizei informieren: Bei Personenschäden oder größeren Sachschäden sollten Sie immer die Polizei hinzuziehen. Bestehen Verletzungen, ist dies Pflicht. Bei Bagatellschäden ohne Verletzte können die Beteiligten den Unfallhergang selbst aufnehmen.
  4. Unfallbericht ausfüllen: Nutzen Sie das europäische Unfallbericht-Formular (möglichst zweisprachig Deutsch/Türkisch). Tragen Sie alle wichtigen Informationen ein: Kennzeichen, Namen und Adressen der Fahrer und Halter, Versicherungsgesellschaften und Policennummern, sowie Datum, Uhrzeit und Unfallort. Lassen Sie den Bericht von beiden Fahrern unterschreiben. Dieses Unfallprotokoll (türkisch: Kaza Tespit Tutanağı) ist entscheidend für die spätere Schadensregulierung.
  5. Beweise und Dokumente sichern: Machen Sie Fotos von der Unfallstelle und den Fahrzeugscherben aus verschiedenen Perspektiven und notieren Sie die Kontaktdaten möglicher Zeugen. Tauschen Sie mit dem Unfallgegner alle wichtigen Informationen aus und fertigen Sie Kopien von Ausweis, Führerschein, Fahrzeugschein und Versicherungsnachweis an (zur Sicherheit auch Telefonnummern notieren).
  6. Kein Schuldanerkenntnis abgeben: Unterschreiben Sie vor Ort nichts, was ein Schuldeingeständnis darstellt. Klären Sie die Haftungsfrage besser später mit Experten, da ein vorschnelles Schuldanerkenntnis Ihren Versicherungsschutz gefährden kann.
  7. Schaden der Versicherung melden und Gutachten veranlassen: Informieren Sie so schnell wie möglich Ihre Kfz-Versicherung in Deutschland (idealerweise binnen einer Woche) und setzen Sie sich mit der gegnerischen Versicherung in der Türkei in Verbindung. Lassen Sie den Schaden anschließend von einem Sachverständigen begutachten, bevorzugt durch einen türkischen Gutachter, da Versicherer und Gerichte ausländische Gutachten meist nicht voll anerkennen​.
  8. Rechtsberatung nutzen: Bei Streit mit der Versicherung oder unklarer Haftung sollten Sie einen Anwalt für Verkehrsunfall in der Türkei hinzuziehen. Sprachliche Barrieren und die Unterschiede im Verkehrsrecht können so leichter überwunden werden. Eine juristische Unterstützung vor Ort stellt sicher, dass Ihre Ansprüche vollumfänglich durchgesetzt werden.

Sach- und Personenschäden

Ein Unfall in der Türkei kann sowohl Sachschäden (am Fahrzeug oder Eigentum) als auch Personenschäden (Verletzungen) zur Folge haben. Die türkischen Regeln zur Schadensregulierung weichen in einigen Punkten von den deutschen ab.

Sachschaden regulieren: Die Kfz-Haftpflicht des Unfallverursachers zahlt die Reparaturkosten für das beschädigte Fahrzeug nach türkischen Preisstandards. Deutsche Werkstattpreise werden nur bis zur Höhe übernommen, die ein türkisches Gutachten bestätigt. Erleidet Ihr Auto einen Totalschaden, erhalten Sie den aktuellen Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert erstattet. Bei ausländischen Fahrzeugen wird dabei oft ein niedrigerer Wert angesetzt, da türkische Gutachter deutsche Schätzungen nach unten korrigieren. Wertminderung (merkantiler Minderwert) nach einer Reparatur wird nur anerkannt, wenn sie von einem türkischen Sachverständigen ermittelt wurde​.

Sie sind nicht verpflichtet, Ihr Fahrzeug in der Türkei reparieren zu lassen. Ist es noch fahrbereit, können Sie zurück in die Heimat fahren und den Wagen dort instand setzen lassen. Die gegnerische Versicherung muss dann die im Heimatland anfallenden Reparaturkosten erstatten, sofern diese durch ein Gutachten belegt sind. Ist das Fahrzeug nicht mehr fahrfähig und muss in der Türkei bleiben (z.B. bei Totalschaden), wird der ersatzfähige Fahrzeugwert nach dem türkischen Gebrauchtwagenmarkt berechnet.

Einige Schadensposten werden in der Türkei anders gehandhabt als in Deutschland. Mietwagenkosten werden nur bei nachgewiesener beruflicher Notwendigkeit und für die Dauer der Reparatur erstattet​. Einen pauschalen Nutzungsausfall gibt es nicht​. Abschleppkosten trägt die Versicherung meist bis zur nächsten Werkstatt. Gutachterkosten für einen türkischen Gutachter übernimmt die Versicherung in der Regel, für einen ausländischen Gutachter nur selten. Anwaltskosten außerhalb eines Gerichtsverfahrens werden normalerweise nicht ersetzt​.

Personenschaden & Schmerzensgeld: Wenn bei dem Unfall Personen verletzt oder getötet werden, greift türkisches Entschädigungsrecht. Die Haftpflichtversicherung des Verursachers zahlt Arzt- und Behandlungskosten sowie notwendige Pflege- und Betreuungskosten, soweit sie nicht von Ihrer Krankenversicherung abgedeckt sind. Auch ein Verdienstausfall kann bei entsprechendem Nachweis eingefordert werden. Das Schmerzensgeld in der Türkei für erlittene Schmerzen und Leiden wird als immaterieller Schadensersatz gewährt. Anders als in Deutschland gibt es keine festen Tabellen zur Berechnung; die Beträge fallen oft geringer aus und liegen im Ermessen des Gerichts. Bei der Bemessung orientiert man sich auch an den Lebensverhältnissen des Geschädigten – ein in Deutschland lebendes Unfallopfer kann daher tendenziell einen höheren Betrag fordern.

Pfändung des Bankkontos in der Türkei: Werden Sie in der Türkei rechtskräftig zu Schadenersatz verurteilt und zahlen nicht, kann Ihr Vermögen (z.B. Bankkonto) gepfändet werden. Umgekehrt können Sie als Geschädigter auch das Konto des Unfallverursachers in der Türkei pfänden lassen.

Versicherungen & Fristen

Melden Sie den Unfall umgehend Ihrer eigenen Versicherung in Deutschland und der gegnerischen Haftpflichtversicherung in der Türkei. Reichen Sie alle erforderlichen Unterlagen (Unfallbericht, Fotos, Zeugenaussagen, Arztberichte) ein.

Die Verjährungsfristen in der Türkei sind kürzer als in Deutschland. Schadenersatzansprüche gegenüber dem unfallverursachenden Fahrer verjähren schon nach 1 Jahr ab Unfall. Gegenüber dem Fahrzeughalter und dessen Versicherung gilt eine Frist von 2 Jahren. In bestimmten Fällen (etwa bei Verkehrsstraftaten oder schweren Personenschäden) können zwar längere Fristen gelten. Melden Sie Ihre Ansprüche daher so früh wie möglich an und lassen Sie sich anwaltlich beraten, um keine Frist zu versäumen.

Versicherung zahlt nicht nach Autounfall in der Türkei? Leider kommt es vor, dass die Regulierung stockt oder die Versicherung nicht zahlen will. Häufige Gründe sind fehlende Dokumente, Streit über die Schuldfrage oder der Vorwurf, ein Teil des Schadens sei nicht unfallbedingt. Reichen Sie alle Unterlagen vollständig ein und setzen Sie eine Frist. Zahlt die Versicherung trotzdem nicht, sollten Sie einen Anwalt einschalten, der Ihren Anspruch gerichtlich in der Türkei durchsetzt. Spätestens dann lenken viele Versicherer ein und regulieren, um weitere Kosten zu vermeiden.

Beachten Sie auch: In der Türkei liegt die Versicherungssumme pro Personenschaden bei etwa 250.000 TRY (ca. 54.000 €)​. Ist der Schaden höher, müssen Sie den Rest vom Unfallverursacher persönlich einfordern.

FAQ

Was tun nach einem Verkehrsunfall in der Türkei?
Bewahren Sie Ruhe, sichern Sie die Unfallstelle und leisten Sie Erste Hilfe. Bei Verletzten rufen Sie den Notruf (Polizei und Rettung). Dokumentieren Sie den Hergang mit dem europäischen Unfallbericht-Formular und Fotos. Tauschen Sie alle Informationen mit dem Unfallgegner aus und melden Sie den Unfall umgehend Ihrer Versicherung.

Gilt deutsches Recht für deutsche Fahrer bei einem Unfall in der Türkei?
Nein. Maßgeblich ist das türkische Verkehrs- und Zivilrecht am Unfallort. Auch für einen deutschen Fahrer in der Türkei gelten die Regeln des türkischen Rechts. Allerdings wird bei der Schadensberechnung berücksichtigt, in welchem Land der Geschädigte lebt. Ihre deutsche Kfz-Haftpflichtversicherung tritt zwar für von Ihnen verursachte Schäden ein, jedoch nach türkischen Bestimmungen.

Wie wird Schmerzensgeld in der Türkei berechnet?
Schmerzensgeld (immaterieller Schadensersatz) wird von türkischen Gerichten nach Ermessen festgesetzt, da es keine festen Tabellen gibt. Die Höhe hängt vom Ausmaß der Verletzungen und dem erlittenen Leid ab. Üblich sind im Vergleich zu Deutschland eher niedrigere Beträge. Ein Anwalt kann Ihnen helfen, eine angemessene Summe zu beantragen und zu begründen.

Was gilt bei Totalschaden in der Türkei?
Bei Totalschaden zahlt die gegnerische Versicherung den Zeitwert Ihres Fahrzeugs (Wiederbeschaffungswert) abzüglich Restwert. Die Bewertung orientiert sich am türkischen Markt; deutsche Gutachten werden oft nach unten korrigiert. Eine Wertminderung wird nur ersetzt, wenn ein türkischer Gutachter sie offiziell bestätigt hat​.

Was tun, wenn die Versicherung nach einem Autounfall in der Türkei nicht zahlt?
Reichen Sie alle Unterlagen ein und setzen Sie eine kurze Frist. Zahlt die Versicherung trotzdem nicht, schalten Sie einen Anwalt vor Ort ein, der notfalls Klage einreicht. Häufig lenkt die Versicherung spätestens dann ein und zahlt doch noch.

Kostenlose Erstberatung

Die Kalem Law Office bietet deutschsprachige Unterstützung und kämpft dafür, dass Sie nach einem Unfall in der Türkei zu Ihrem Recht kommen. Kostenlose Erstberatung: Lassen Sie Ihren Fall unverbindlich prüfen und erfahren Sie, welche Ansprüche Ihnen zustehen. Kontaktieren Sie uns noch heute. Wir beraten Sie kompetent und sorgen dafür, dass Ihnen kein Schadenersatz entgeht.

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